Während meine Meniskus-OP mittels Arthroskopie im November eher eine kleine Operation darstellte, zählt die Revision des in die Jahre gekommenen Motors von Hava Supai eher zu den größeren der Art. Beide waren jedoch dringend nötig.
Die große Motorrevision war seit Oktober 2020 terminiert, zwei Anzahlungen waren in der Zwischenzeit geleistet worden. Am 16. März sollte der Motor ausgebaut und mittels Hafenkran auf den Anhänger des Mechanikers gehievt werden.
Die Zeit dazwischen war geprägt vom ständigen Lauern auf die Entwicklung der Corona-Infektionen in Frankreich und der zu erwartenden Maßnahmen der französischen Regierung. Am 14. März bin ich dann alleine nach Arzal gefahren, um die Operation vorzubereiten.
Beim Eintreffen fand ich Hava Supai im Winterschlummer, bestens geschützt durch ihre neue Winterpersenning.


Nach größeren Räumarbeiten in der Yacht konnte Christophe, der Mechaniker, am 16. März morgens um 09:00 Uhr seine Arbeit beginnen.

Leider ist der Motor in unserer Yacht passgenau eingebaut, so dass kaum Arbeitsraum besteht. Trotzdem hatte Christophe bis Mittag alle Vorbereitungen getroffen und Nico konnte mit dem Kran anrücken.

Leider zeigte sich beim ersten Versuch, dass auch das Einstiegsluk kaum Platz zum Herausheben des Motors bietet.

Erst nach dem Abbau verschiedener Aggregate und einem von Christophe mit einem zusätzlichen Hebezug erzeugten Schräghang gelang es, den Motor aus der Yacht zu bugsieren.

Schließlich fand sich der Motor auf dem Anhänger von Christophe wieder.

Der Ausbau des Motors und das Lösen bzw. Durchschneiden diverser Schläuche hatte seine Spuren im Motorraum hinterlassen.

Das sah nach viel Arbeit aus!

Am nächsten Tag ging es dann im „Atelier propre“ von Christophe weiter. Die Werkstatt sollte sich in den kommenden Tagen als ein wundersamer Quell von genau den Zubehörteilen erweisen, die gerade an unserem Motor gebraucht wurden. Zunächst führte Christophe jedoch in der gewohnt französisch-rustikalen Arbeitsweise eine Grundreinigung des Motors durch. Abwassserfilterung? – Wozu?

Gleich bei den ersten Zerlegearbeiten zeigte sich, dass die Operation dringend nötig war und wohl etwas größer ausfallen würde, als zunächst gedacht.

Nach dem Abbau des Auspuffkrümmers war klar, dass auch er das Ende seiner Existenz erreicht hat. Christophe machte mir vorsichtig klar, dass ich alleine dafür mit mehr als 600 Euro rechnen dürfe.

Der Kühlwasserlauf und der Wärmetauscher bedurften einer intensiven Reinigung. Der Wärmetauscher durfte sich vorübergehend in einer Chlorlösung von zuviel Kalk befreien lassen.


Am Nachmittag wollte sich Christophe zunächst um das Lager unserer Antriebswelle kümmern, da nicht klar war, wie hoch der Arbeitsaufwand für den Austausch des Lagers werden würde. Während sich der ein oder andere Mechaniker in den vergangenen Jahren sowohl in Holland, als auch in Frankreich vor diesem Problem gedrückt hatte und der französische Mechanikerbetrieb dafür einen Kostenvoranschlag über mehr als 1000 Euro erstellt hatte, nahm Christophe mit großem Gleichmut eines seiner gröbsten Werkzeuge und versuchte sich an dem Lager.

Da, wo andere mutmaßten, das Lager müsse durch verdeckte Schrauben fixiert sein, drehte Christophe zunächst nach links und, da sich auf diese Weise nichts tat, einfach mal nach rechts. Mit, zugegeben, etwas größerem Kraftaufwand ließ sich das Lager aus der Buchse drehen. Der Einbau des neuen Lagers war dann unter Zuhilfenahme des alten in wenigen Minuten erledigt. Eine große Sorge weniger und keine tausend Euro nötig!

Am nächsten Tag zeigte Christophe gute, alte Mechanikereinstellung und -kunst. Es kam die wohl über Jahre undichte Seewasserpumpe dran. Anstatt sie komplett zu ersetzen, zerlegte Christophe sie und ersetzte die darin befindlichen Lager und Simmerringe. Toll!

Dann ging es an die knifflige Aufgabe, die offensichtlich seit der ersten Stunde im Jahr 1988 eingebauten Glühkerzen unversehrt aus dem Motorblock zu bekommen. Sollten die brechen und Teile davon in den Motorblock fallen… Da das nicht auf Anhieb gelang, musste WD 40 eine Nachtschicht an den Kerzen einlegen. Der folgende Tag brachte dann das gewünschte Ergebnis. An der Originalfarbe der Kerzen waren sie eindeutig als Werksausführung zu erkennen.

Doch danach begann das große Drama der bisher erfolgreichen Geschichte. Ich hatte mit Christophe in den Verhandlungen über die Kosten der Revision erreicht, dass ich einige der teuersten Ersatzteile selbst beschaffen durfte. Die dazu durchgeführte Internetrecherche versprach gegenüber den für Christophe in Frankreich möglichen Einkaufspreise eine erhebliche Ersparnis.
Leider ereignete sich über die Jahreswende überraschenderweise der Brexit und der Zugang zu den ehemals extrem günstigen Perkins-Teilen direkt aus England war nicht mehr möglich. Aber mittels der von Christophe gelieferten Original-Teilenummern von Volvo Penta sollte das doch kein Problem sein…
Witzigerweise werden für den Ersatz an Perkins-Motoren Volvo-Penta-Teile benutzt, um auf die Arbeiten eine Garantie geben zu können. Das hängt einfach damit zusammen, dass die Volvo-Penta-Motoren, die baugleich mit Perkins-Modellen sind, alle von Perkins gebaut wurden. Trotzdem gelten sie am Markt als Volvo-Motoren.
Ich hatte schließlich die Glühkerzen, die Einspritzdüsen und eine Spannrolle für den Zahnriemen bei einem Volvo-Penta-Händler aus Mönchengladbach erstanden und mich über die Einsparung von mehr als 400 Euro gefreut. Dabei war ich über die extrem hohen Preise dieser Teile fast verzweifelt. Eine Glühkerze kostete 158 Euro, eine Einspritzdüse 133 Euro. Zusammen mit der Riemenscheibe für 198 Euro habe ich rund 1360 Euro nach Mönchengladbach überwiesen.
Ich war irritiert, als in dem Paket aus Möchengladbach Glühkerzen ohne Volvo-Penta-Label lagen, die eine andere Teilenummer trugen. Der Inhaber des Volvo-Penta-Service erklärte auf meine Reklamation lapidar, dass es überhaupt keine Glühkerzen von Volvo-Penta gebe und dafür einfach Kerzen des Herstellers Delphi verwendet und diese umgelabelt werden. Da mir die Teilenummer gleich bekannt vorkam, schaute ich nochmals bei „parts4engines.com“ nach. Dort werden vier Kerzen für 191,48 € plus Versand vertrieben! Ich habe genau diese Kerzen jedoch für 625 € geliefert bekommen, wobei diese Firma die mit Abstand günstigste war.
Die Kerzen waren die falschen. Ihre Gesamtlänge betrug nur 60 mm, während die Original-Kerzen 75 mm lang sind. Dabei sei die Länge des Glühpins entscheidend, sagte Christophe. Wie im richtigen Leben…
Bei den Einspritzdüsen bahnte sich am Folgetag die Fortsetzung des Dramas an. Christophe hatte die Halter mit den Einspritzdüsen ausgebaut und sie gereinigt. Dafür hat Christophe in den Tiefen seines Ateliers sogar ein Ultraschallbad.


Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Im Vordergrund eine der neuen Einspritzdüsen, leider die falsche. Ich habe später festgestellt, dass sich die Ersatz-Düsen als Allerwelts-Ersatzteil für viele Dieselmotoren für wenig mehr als 20 € besorgen lassen. Ich hatte 132 € pro Stück bezahlt und sie werden jetzt bei Christophe noch teurer.

Christophe hat doch tatsächlich auch eine Prüfeinrichtung für Einspritzdüsen an der Werkbank. Nach Einspannen der Einspritzvorrichtung kann man den Einspritzvorgang manuell durchführen und dabei den Einspritzdruck feststellen. Die benötigten 225 Bar wurden von den alten Düsen nicht mehr erreicht.

Einer der wesentlichen Erkenntnisgewinne des Praktikums bei Christophe war, dass man bei solchen, alten Motoren erst mit Sicherheit weiß, welche Ersatzteile eingesetzt werden müssen, wenn man die alten Teile ausgebaut hat. Das hätte man mir auch vorher vermitteln können!
Da sich der Lieferant der falschen Teile unter Hinweis auf die angeblich verstrichene Widerrufsfrist sofort sträubte, die Teile wieder zurückzunehmen, musste ich notgedrungen die Teile doch durch Christophe nachbestellen lasssen. Dem Händler aus Mönchengladbach habe ich übrigens auch zu neuen Erkenntnissen verholfen. Da er mir keine Belehrung über den Widerruf zugestellt hatte, hatte die entsprechende Frist noch überhaupt nicht begonnen. Mein Widerruf, unterstützt durch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes, führte nach etwas Bedenkzeit dann doch dazu, dass ich nach drei Wochen die Rückzahlung wieder auf dem Konto hatte.
Schließlich stand noch die kniffligste Arbeit an: Der Wechsel des Zahnriemens. An den Zahnrädern waren noch die Markierungen des letzten Zahnriemenwechsels (in Rot) zu sehen.

Christophe konnte eines der Zahnräder mit einer langen Schraube blockieren (siehe Pfeil) und markierte den Stand der anderen neu.

Danach war der Wechsel des Riemens und der beiden Spannrollen recht schnell erledigt. Von Hand drehte er anschließend den Motor, um festzustellen, ob nicht etwas blockiert. Spannend. Erinnerte mich daran, dass ich das in den achtziger Jahren mal an meinem VW Passat Turbodiesel gemacht habe. War damals ein kribbeliger Samstag.

Das Thermostat der Zweikreiskühlung samt Dichtung sowie die diversen Schlauchverbindungen der Kühlung waren ebenfalls schnell ausgetauscht.

Das galt auch für die Dichtung der Kraftstoffpumpe, deren von uns bemerkte Undichtigkeit der eigentliche Auslöser der Motorrevision war.


Für die weiteren Arbeiten musste erst das Eintreffen der nachbestellten Ersatzteile abgewartet werden. Unter anderem waren auch einzelne Motorfundamente zu bestellen, da sie über längere Zeit durch die undichte Seewasserpumpe mit Salzwasser geduscht wurden. Deshalb widmeten wir uns gemeinsam dem Ausbau diverser Schläuche. Dafür musste Christophe in einzelne Schapps krabbeln, unter anderem unter die Spüle, um die Schläuche des Boilers abzubauen, die bei laufendem Motor das Wasser im Boiler erhitzen.

Schließlich war es an mir, nach dem Auspumpen von insgesamt 100 Litern Wasser-Ölgemisch die Motorbilge aufzuräumen, zu säubern und komplett zu entfetten. Ich habe dann einen halben Sonntag auf den Knien mit dem Lackieren der Motorbilge verbracht. Zum Glück war es durch die Knie-OP möglich und verlief erfolgreich. Der gewartete und frisch lackierte Motor kann kommen!

Ich habe dann mit Christophe vereinbart, dass der Motor am 20. April wieder eingebaut werden sollte und bin am 25. März nach Hause gefahren.
Leider hat Monsieur Macron uns zwischenzeitlich in die Suppe gespuckt und mit seiner landesweiten Ausgangssperre für vier Wochen unsere für den 17. April geplante Reise nach Arzal unmöglich gemacht. Wir wollen es jetzt am 3. Mai nochmals versuchen und haben für den 15. Mai einen Termin gebucht, um uns ins Wasser kranen zu lassen. Schaunmermal!